Vollformat-Fetischisten und SUV-Fahrer ähneln sich dann doch sehr.
Die einen wünschen sich ein Nachtsichtgerät zum Fotografieren, die anderen brauchen Allrad bei der Parklückensuche in der Großstadt ;)
Ich hab ja eigentlich nichts gegen die Nutzer_innen von so genannten Vollformat-Kameras. Außer...ja außer, dass vielleicht schon bei der Bezeichnung des Geräts einmal Klarheit geschaffen werden muss.
Wenn Vollformat - und gemeint ist natürlich im Allgemeinen ein Sensorformat von rund 24x35 mm - VOLL sein soll, warum ist dann der viel größere Sensor des Mittelformats nur mittel so groß? Und ist gar ein Großformat nicht voll?
Ich denke KLEIN-Bild tut's dann ja auch. Hören die Voll-Formatler zwar nicht so gern (weil verniedlichend), ist aber geschichtlich und auch sprachlich korrekter.
Gut, die Crop-Formate APS-C und MFT wären dann kleinere und Kleinstformate. Ganz abgesehen von den Zwerg- und Winzigformaten der Handys, Überwachungskameras usw. usf. Aber das ist sowieso wieder eine ganz andere Sache.
Die Vollformat-Fraktion mit ihren Kleinbildgeräten stilisiert ja immer noch mit relativ banalen Argumenten die Wahl ihres Geräts zur Weisheit letztem Schluss. Da wäre der Pixelpitch bei Kleinbildsensoren. Soundsoviele Micrometer groß ist da der einzelne Pixel. Ja, die Physik lässt sich nicht austricksen. Je größer die Lichtmenge ist, desto vorteilhafter ist das Signal-Rausch-Verhältnis bei gleichbleibender Rauschamplitude. Bei gleicher Belichtung ist die vom Film oder Sensor eingefangene Lichtmenge proportional zur Fläche des Aufnahmeformates. Sprich: mit großen Pixeln lässt sich mehr Licht fangen und das Rauschen bleibt außen vor. Nun sind die die heutigen Sensoren im Vollformat bei Pixelgrößen angelangt, die der von APS-C oder MFT Kameras entsprechen.
Will was bedeuten? Früher waren - sagen wir mal - 6 oder 7 Micrometer große Pixel ideal, um möglichst rauschfreie Sensoren herstellen zu können. Heutzutage haben Sensoren mit 3 bis 4 Micrometern schon die gleiche Empfindlichkeit. Und nicht nur die Sensoren haben sich ständig verbessert, auch - und vor allem - die Microprozessoren aller Kameras werden immer besser. Und damit auch die kamerainterne Verrechnung von Belichtung, Rauschen usw. Je besser die Technik plus je fortschrittlicher die De-Noising Programme in der Post-Produktion, desto weniger wird das Rauschen zum Thema. Im Übrigen habe ich mal gehört, sollte ein anständig belichtetes Bild noch immer zu den Tugenden eines/einer Fotografin gehören. Das vielgerühmte "available Light" muss jetzt nicht heißen, dass man partout in den dunkelsten Winkeln knipst und sich keinen Deut mehr um Ausleuchtung schert.
Dann wäre da noch die von den Kleinbild-Vollformat-Was-auch-immer-Vertretern immer wieder ins Treffen geführte Tiefenschärfe. Die Bokeh-Frage. Geschenkt! Wir wissen um die Gesetze der Physik, wir wissen, mit welcher Brennweite und welcher Blende welche Tiefenschärfe entsteht. Die Brennweite ist immer die gleiche. Egal, welcher Sensor. 50 mm sind 50 mm sind 50 mm. Punkt. Wie der/die MFT-ler/in mit dem 25er umgeht, ob der/die Vollformatkleinbildnerin eine Blende 1.2 händelt um zwischen Auge und Ohren noch etwas Schärfe ins Gesicht zu bringen sind handwerkliche Fragen.
Die großartige Julia Margaret Cameron wurde zu ihrer Zeit von den Kritikern geradezu zerissen, weil sie mit so geringer Tiefenschärfe arbeitete, dass "man von Hintergund des Bildes nichts mehr scharf sieht" und "ihre Werke keine große technische Meisterschaft" aufweisen würden. Zu jener Zeit (und eigentlich noch die nächsten mehr als hundert Jahre) war eine mächtige Hyperfokale das Maß aller Dinge.
Die Zeiten und die Moden der Freistellung ändern sich. Auch das pure Isolieren des Motivs vom Hintergrund durch bloßes Aufreissen der Blende ist nicht unbedingt einfallsreich. Manchmal - so hab ich gehört - würden auch Kontrast, Licht und Farbe vielmehr für Freistellung und Aufmerksamkeit aufs Motiv sorgen. Aber das ist Geschmackssache...
Jedenfalls finde ich jedes Sensorformat okay und berechtigt, wenn man damit erreicht, was man abbilden will. Im Umkehrschluss habe ich keinerlei Verständnis für so manch verächtliche Despektierlichkeit gegen Formate, die nicht "vollgenommen" werden. Der Fetischismus beginnt dort, wo man sich über das Dünkel der (meist) teureren (und schwereren) Kameras definiert. Aber das kennen wir ja auch vom Auto, oder?
Ich für meinen Teil hab schon mit (fast) allen Formaten gearbeitet. Mit einer Sony im Kleinbild-, mit einer Fuji im APS-C und mit Panasonic und Olympus im MFT-Format. Alles - im jeweiligen Einsatzbereich - eh ganz super. Irgendwie. Und deshalb dann auch - nach testen und probieren - irgendwann die Entscheidung für dieses und jene Werkzeug. Ich hab auch schon viele, sehr viele Autos probiert. Und auch da fiel die Entscheidung meist pragmatisch aus. Für Fetischismus und Fan-Boyism gibt's meiner Meinung nach spannendere Lebensbereiche ;)
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